Interview

„Das erste und schwierigste Coming-out ist das sich selbst gegenüber“

Bennett Wright über seine Arbeit bei Henkel und trans*-Inklusion

New Work 27.06.2023

Er verließ Henkel Slovakei wahrgenommen als Frau – und kam als sein wahres Ich zurück: Benn. Bennett Wright arbeitet in der Personalabteilung von Henkel Slowakei in Bratislava. Im Interview erzählt er von seiner Reise der Selbstfindung und Transition, von der Therapie bis zum Coming-out vor seiner Familie und am Arbeitsplatz. Er spricht über die Herausforderungen, mit denen er auf seinem Weg konfrontiert wurde, darunter Diskriminierung bei einer Zwischenbeschäftigung, und über seine positiven Erfahrungen nach seiner Rückkehr zu Henkel, wo die LGBTQ+-Inklusion aktiv gefördert wird.

Du wurdest mit weiblichen Merkmalen geboren und hast dich für eine Transition entschieden. Wann wusstest du, dass du dich als Mann identifizierst?

Das war ein langer Prozess: Als ich 35 Jahre alt war, beschloss ich, zu entdecken, wer ich wirklich bin. Ich wollte nicht mehr länger nach den Erwartungen der Menschen um mich herum leben. Ich war depressiv, was den Wunsch nach einem Neuanfang verstärkte. Ich befand mich auch in Therapie und nach einem Jahr bat mich meine Therapeutin, mir eine Puppe zu kaufen, die mich repräsentiert. Das ist eine Übung zur Selbstfürsorge mit dem sogenannten eigenen inneren Kind. Als ich im Laden war, habe ich mir eine männliche Puppe genommen, sie dann wieder zurückgelegt und eine weibliche Puppe ausgewählt. Damals hätte ich mich noch als weiblich identifiziert, und die Leute hätten mich auch so angesprochen. Ich wusste nicht, wie ich meiner Therapeutin erklären sollte, warum ich fand, dass eine männliche Puppe mich repräsentiert. Nach ein paar Monaten habe ich mich dann aber entschieden, meiner Therapeutin gegenüber ehrlich zu sein. Ich erzählte ihr, dass ich zuerst eine männliche Puppe gewählt hatte. Sie war verständnisvoll, unterstützend und ermutigte mich, mir die männliche Puppe zu kaufen, um zu sehen, wie es sich anfühlt. In dem Moment, als ich die männliche Puppe dann in der Hand hielt (sein Name ist Fynn), wurde mir klar, dass ich diesen Jungen atmen lassen muss, wenn ich glücklich sein möchte.

Porträt-Foto von Bennett Wright

Ich habe nicht über mich als transgender nachgedacht. Ich habe mich als mich selbst betrachtet und wollte, dass ich mit der Person, die ich wirklich bin, glücklich bin.

Das war vor vier Jahren. Wusstest du damals schon, dass du transgender bist?

Im Jahr 2019 trug ich immer noch Make-up und Kleider, obwohl sich das nie richtig anfühlte: Ich komme aus einer katholischen Familie und Transgender-Themen waren in der Slowakei nicht sehr präsent. Ich wurde nie mit Themen wie LGBTQ+ oder Diversität konfrontiert. Die Verteilung der Geschlechterrollen war klar: Von mir wurde zum Beispiel erwartet, dass ich bunte Kleider und Make-up trage, lange Haare habe und mich wie eine Frau benehme. Dann, eines Tages, rasierte ich mir den Kopf. Das Ergebnis gefiel mir nicht nur sehr gut, sondern es fühlte sich auch befreiend an. Danach habe ich meinen Kleiderschrank durchforstet und mich einfach von den Stücken getrennt, die nicht zu mir passten. Es war ein tolles Gefühl – ich beschloss endlich, das zu tragen, was ich wollte. Auch weiterhin beobachtete ich, was sich richtig anfühlte und was mich glücklich machte. Ich habe nicht über mich als transgender nachgedacht. Ich habe mich als mich selbst betrachtet und wollte, dass ich mit der Person, die ich wirklich bin, glücklich bin. Das Problem war gewesen, dass ich die ganze Zeit damit zugebracht hatte, anderen Menschen zu gefallen und dabei hatte ich aus den Augen verloren, wer ich bin. Ich hatte Glück, dass ich eine Therapeutin hatte, die mich meinem inneren Kind nähergebracht hat, unabhängig vom Geschlecht. Das erste und schwierigste Coming-out ist das sich selbst gegenüber. Es erfordert brutale Ehrlichkeit und eine Menge innere Arbeit.

Wie haben die Menschen in deinem sozialen Umfeld auf das Coming-out reagiert?

Ich erinnere mich, dass ich meine Geschichte in Facebook-Gruppen gepostet habe, um herauszufinden, ob die Reaktionen positiv oder negativ sein würden. Ich wollte herausfinden, ob es wirklich möglich ist, ich selbst zu sein. Ich begann mit ausländischen Gruppen, weil ich Angst vor der Reaktion der Menschen in meinem eigenen Land hatte. Nachdem ich die Puppengeschichte geteilt hatte, habe ich noch mehr Bestätigung und Akzeptanz erfahren. Je mehr ich versucht habe, meine Geschichte zu erzählen, desto mutiger wurde ich. Aber ich hatte immer noch viel Angst, es meinen Eltern zu sagen. Ich erinnere mich an diesen Abend: Ich habe ihnen eine E-Mail geschrieben, weil ich nicht die Kraft hatte, es ihnen direkt zu sagen. In der Mail habe ich ihnen gesagt, dass sie mir nicht direkt antworten sollen und erst einmal eine Nacht darüber schlafen sollen. Dennoch hat mein Vater mir sofort geantwortet und mich seinen Sohn genannt – er adressierte mich mit meinem neuen Namen und mit dem richtigen Pronomen. Ich war überwältigt von ihrer Liebe. Damit hatte ich anfangs gar nicht gerechnet. Das gab mir den Mut, mich am nächsten Tag vor meinen Freund:innen zu outen. Meine Freund:innen überschütteten mich mit Liebe. Es war die schönste Zeit meines Lebens.


3 Fragen an Bennett Wright, HR Reporting & Total Rewards Experte bei Henkel Slowakei

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Verwendung von Pronomen

Wusstest du, dass die Verwendung von Geschlechtspronomen zu einem offenen und wertschätzenden Umfeld für nicht-binäre Menschen beiträgt? Pronomen normalisieren Gespräche über die Geschlechtsidentität und erkennen an, dass das Geschlecht nicht nur männlich oder weiblich ist. Die folgenden Pronomen können für männliche, weibliche oder nicht-binäre Personen verwendet werden:

Männlich: Er / der / sein
Weiblich: Sie / die / ihr
Nicht-binär: Xier / dier / xies

Wie haben die Kolleg:innen bei Henkel reagiert, als du als Mann zurückkamst?

Zu dem Zeitpunkt als ich mich geoutet habe, habe ich für ein anderes Unternehmen gearbeitet, wo die Reaktion ziemlich negativ war. Ich dachte, das Problem sei, dass sie einfach nicht das nötige Wissen über Transgender-Inklusion hatten, also habe ich versucht, sie aufzuklären. Trotzdem habe ich nicht die Reaktionen erhalten, die ich mir erhofft hatte. Man hat mir nicht einmal erlaubt, eine neue E-Mail-Adresse mit meinem bevorzugten Namen zu nutzen. Letztendlich musste ich diese Stelle aufgeben. Diese Erfahrung hatte sich negativ auf meine mentale Gesundheit ausgewirkt, da es nur wenige Monate nach meinem Coming-out passiert war. Am Ende hat sich herausgestellt, dass es das Beste war, was mir passieren konnte: Ich habe angefangen, mich sehr offen für Transgender-Inklusion einzusetzen, und dies führte mich auch zu Henkel zurück.
Wegen meiner vorherigen Erfahrungen war ich vor dem ersten Arbeitstag bei Henkel extrem nervös. Aber die meisten meiner ehemaligen Kolleg:innen bei Henkel wussten von meiner Transition. Sie sprachen mich von Anfang an richtig an und ich fühlte mich sofort akzeptiert. Sie nannten mich bei meinem neuen Namen, und es hat sich großartig angefühlt, zurück sein. Durch meine frühere Tätigkeit bei Henkel war ich bereits im Personalsystem erfasst, und obwohl ich in meinen Unterlagen noch als Frau ausgewiesen war, wurde ich vom ersten Tag an als Mann kategorisiert. Da ich bereits eine rechtliche Namensänderung durchlaufen hatte, wurden alle meine Daten entsprechend aktualisiert – dazu gehörte auch, dass ich eine neue E-Mail-Adresse erhielt. Das war ein sehr gutes Gefühl: Ich fühlte mich gesehen. Ich erinnere, wie ich meinen Freund:innen erzählt habe, wie schön es sich anfühlt, als Mann anerkannt zu werden, obwohl in meinem Ausweis noch „Frau“ stand.

Wie erlebst du trans*-Inklusion bei Henkel?

Nachdem ich das Stellenangebot angenommen hatte, wandte sich die Personalleitung, einschließlich meiner Führungskraft, an eine LGBTQ+-NGO, um zu erfahren, wie man als Unternehmen Inklusion für Transgender-Mitarbeiter:innen fördern kann. Die NGO sprach über das Leben von Transgender-Personen, ihr Coming-out, psychologische und rechtliche Hilfe. Sie stellten grundlegende Verhaltensregeln vor und ermutigten sie, mich zu fragen, wenn ich etwas brauche. Ich konnte es nicht glauben: Henkel wusste, dass eine Wissenslücke besteht, und hat sich aus eigener Initiative an sie gewandt! Das ist das Beispiel, dem Unternehmen folgen sollten. Jetzt, wo ich fest im Unternehmen verankert bin, leite ich zusätzlich zu meiner Haupttätigkeit eine globale Transgender Employee Resource Group (ERG) zusammen mit Julia Kalder, Managerin Agile Organizational Development bei Henkel in Deutschland, und Don Dominic, Global Manager DEI bei Henkel in den Niederlanden. Die Transgender ERG bietet einen sicheren Raum und Unterstützung für Menschen, die ein Coming-out und/oder eine Transition am Arbeitsplatz in Betracht ziehen. Ich finde es großartig, dass Henkel das Bewusstsein für Transgender-Kolleg:innen schärfen und ein inklusives Umfeld schaffen will und dass ich ein Teil davon sein kann.


Porträt-Foto von Bennett Wright

Seitdem ich mich geoutet habe, bin ich mein wahres Ich geworden: Ich bin kommunikativer, engagierter und glücklicher.

Was hat sich in deinem Privatleben oder am Arbeitsplatz im Vergleich zu der Zeit vor deiner Transition verändert?

Seitdem ich mich geoutet habe, bin ich mein wahres Ich geworden: Ich bin kommunikativer, engagierter und glücklicher. Früher war ich eher still, ängstlich im Umgang mit Menschen und zurückhaltend. Ich habe mich nie, vollkommen akzeptiert gefühlt, aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich mich damals selbst nicht akzeptiert habe. Jetzt muss ich mir um meine Identität keine Gedanken mehr machen – sei es mit meinen Freund:innen oder an meinem Arbeitsplatz. Das gibt mir Raum und Energie für neue Dinge und Ideen. Henkel akzeptiert nicht nur meine Transition, sondern versucht auch weiter, mehr dazuzulernen, um etwas zu bewirken, und das tut das Unternehmen auch. Die Privatwirtschaft trägt etwas zu LGBTQ+-Inklusion bei, und obwohl mein Land eher konservativ ist, versucht Henkel alles, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, intern und extern. Das Unternehmen lädt Expert:innen ein und ist sehr daran interessiert, mehr zu lernen. Es reicht nicht aus, Regenbogenlogos in den sozialen Medien zu posten, eine Diversitätscharta zu unterzeichnen und wie ein inklusives Unternehmen zu erscheinen. Ich möchte Taten sehen – und genau das tut Henkel.

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