Interview

Coming-out am Arbeitsplatz – eine Frage des Vertrauens

Diversität als Bestandteil der Unternehmenskultur

New Work 15.11.2022

Unsere Gesellschaft wird zunehmend vielfältiger. Lebensmodelle und Bedürfnisse an die Arbeitswelt verändern sich – so auch die Anforderungen an Unternehmen. Henkel möchte ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Talent, Leidenschaft und Leistung gedeihen können und sich jede Person in ihrer Individualität geschätzt und unterstützt fühlt. Im Interview gibt die langjährige Mitarbeiterin Julia Kalder, Managerin im Bereich Agile Organizational Development, Einblicke in ihre Erfahrungen und Erlebnisse während ihres Coming-outs im Unternehmen. Sie berichtet, was es aus ihrer Sicht braucht, damit ein Unternehmen eine respektvolle und inklusive Kultur bietet und fördert.

1. Du arbeitest seit über 20 Jahren bei Henkel. Wann hast du dich geoutet?

Julia: Alles begann im Juni 2020. Mit 39 Jahren hatte ich mein inneres Coming-out. Es war der größte Befreiungsschlag meines Lebens. Nach zahlreichen Gesprächen im privaten Umfeld wurde mir klar, dass ich mich auch im Job würde outen müssen. Denn schließlich würde ich mich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich verändern. Der Gedanke an mein Coming-out am Arbeitsplatz erfüllte mich anfänglich mit Angst. Ich fragte mich, wie meine langjährigen Kolleg:innen darauf reagieren würden. Was würde das für meine Arbeit und auch meine Arbeitsplatzsicherheit bedeuten? Würde man mich ablehnen, diskriminieren, auslachen? Gab es vielleicht irgendwo Hilfe? Im Oktober 2020 wagte ich schließlich den Schritt.

Julia Kalder, Managerin im Bereich Agile Organizational Development bei Henkel

Ich fragte mich, wie meine langjährigen Kolleg:innen auf mein Coming-out reagieren würden. Was würde das für meine Arbeit und auch meine Arbeitsplatzsicherheit bedeuten?

2. Wie verlief dein Coming-out bei Henkel?

Julia: Als Erstes suchte ich Hilfe bei unserer Personalabteilung und einer Kollegin aus dem Betriebsrat. Mir wurde von allen Seiten Wohlwollen entgegengebracht. Dann vertraute ich mich befreundeten Kolleg:innen an und erfuhr große Unterstützung sowie Rückhalt. Dasselbe geschah in den folgenden Gesprächen mit meinen Vorgesetzten. Mit ihnen besprach ich auch die weiteren Schritte meines Coming-outs vor dem Team. Ich entschied mich dazu, meine Geschichte in einem kurzen Video darzustellen und dieses dann am Ende eines Team-Meetings zu präsentieren. Das Video verfehlte seine Wirkung nicht, einige Kolleg:innen hatten Tränen in den Augen. Für den Kreis außerhalb meines Teams verfasste ich eine E-Mail, in der ich mich offen für Fragen und Gespräche zeigte. Und ich stellte es frei, die E-Mail weiterzuleiten – wovon erstaunlich viel Gebrauch gemacht wurde.
Die bürokratischen Änderungen verliefen unkompliziert. So war zum Beispiel meine E-Mail-Adresse binnen eines Tages auf meinen neuen Namen umgestellt. Meine offizielle Vornamens- und Personenstandsänderung war dann im April 2021 abgeschlossen.

3. Was hat dich an deinem Coming-out bei Henkel besonders überrascht?

Julia: Ich habe einen positiven Rückhalt erfahren, mit dem ich in diesem Ausmaß nicht gerechnet hätte und für den ich von ganzem Herzen dankbar bin. Die Akzeptanz und Unterstützung erlauben es mir, meine Transition und meine Karriere bei Henkel unter einen Hut zu bringen. Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass ich mir kein besseres berufliches Umfeld für ein Coming-out hätte wünschen können.

Julia Kalder, Managerin im Bereich Agile Organizational Development bei Henkel

Ich halte es für wichtig, dass im Unternehmen eine offene, diverse Kultur gelebt wird und dass die Unternehmensleitung diese trägt und vorantreibt.

4. Was braucht es aus deiner Sicht, damit ein Unternehmen eine respektvolle und inklusive Kultur fördert?

Julia: Ich halte es für wichtig, dass im Unternehmen eine offene, diverse Kultur gelebt wird und dass die Unternehmensleitung diese trägt und vorantreibt. Dazu gehört in hohem Maße das Thema Aufklärung. Das ist ein zentrales Thema unserer Gesellschaft, und auch der Bildungspolitik. Ich denke, dass Henkel als Arbeitgeber und Unternehmen mit Trainings, Events und Kommunikationskampagnen viel zur allgemeinen Aufklärung beitragen kann. Ich bin dankbar, dass wir in unserem Diversity, Equity und Inclusion (DEI)-Team und auch in den Employee Resource Groups (ERGs) Menschen haben, die sich täglich mit diesem Thema befassen. Und obwohl Henkel schon auf einem guten Weg ist, gibt es auch bei uns noch viel zu tun.


Employee Resource Groups (ERGs) sind von Mitarbeitenden organisierte Gruppen zu bestimmten Themen. Sie fördern eine vielfältige, integrative Arbeitsatmosphäre, die im Einklang mit den Werten und Zielen des Unternehmens steht. Derzeit gibt es bei Henkel mehr als 55 ERGs, die sich mit Themen wie Geschlecht, Herkunft oder Behinderung befassen.

5. Hast du konkrete Beispiele?

Julia: Erst kürzlich haben wir bei Henkel eine Trans-ERG für Themen rund um LGBTQ+ gegründet – als ersten Anlaufpunkt und sicheren Raum, der bei Bedarf sogar die Anonymität wahrt. Ich würde mir wünschen, dass in der Kommunikation noch stärker auf interne Unternehmensstrukturen, die einen respektvollen Umgang mit Inhalten zum Thema LGBTQ+ gewährleisten und fördern, hingewiesen wird. Auch in die Rolle einer Bewerberin versetzt, wäre es für mich ein entscheidendes Kriterium, ob der potenzielle Arbeitgeber mich so akzeptiert, wie ich bin. Ich sehe Henkel durchaus in der Verantwortung und Position, für derlei Themen als Pioniere auf- und einzutreten – ganz im Sinne unseres Unternehmens-Purpose.

6. Was empfiehlst du Personen, die sich am Arbeitsplatz outen möchten?

Julia: Folgt eurem Bauchgefühl. Es sagt euch, was in eurem individuellen Prozess gerade wichtig und richtig ist. Das mag die Frage sein, ob ihr euch lieber in Einzelgesprächen oder vor dem gesamten Team outen möchtet. Oder ob es doch lieber ein Brief oder eine E-Mail sein soll. Sucht euch Personen, die ihr als Erstes ins Vertrauen ziehen möchtet. Das können gute Kolleg:innen sein, jemand bei den sozialen Diensten, dem DEI-Team oder Personen in den verschiedenen ERGs. Ich empfehle auch, möglichst früh die eigene Führungskraft in den Prozess des Coming-outs einzubinden. Im Idealfall wisst ihr sie an eurer Seite.

7. Wie fühlst du dich heute?

Julia: Erleichtert. Angekommen. Angenommen. Respektiert. Dankbar. Zufrieden. Ein Teil der vielen positiven Erfahrungen, die ich während meines Coming-outs machen durfte, sind die kleinen und großen Begegnungen hier bei Henkel.

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