Interview

Online shoppen und Gutes tun

Die Siegerin des diesjährigen Xathons über die Zukunft und Nachhaltigkeit im E-Commerce

Kultur 12.10.2022

Nachhaltig einkaufen und dabei Geld sparen – das machen Evoléna de Wilde d’Estmael und ihr Start-up möglich: faircado hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe von Technologie Secondhand-Shopping zur ersten Wahl für alle zu machen. Die Gründerin präsentierte ihr Re-Commerce-Konzept im September auf dem Xathon, dem Business-Hackathon für Frauen von Henkel dx Ventures – und gewann mit ihrer Idee den ersten Platz sowie ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro. Im Interview verrät Evoléna de Wilde d’Estmael, wie faircado genau funktioniert, was der Xathon für sie bedeutet und welche Pläne sie für die Zukunft hat.

Evoléna, der Xathon ist nun ein paar Wochen her. Wie war dein Leben seit dieser Zeit?

Evoléna: Das Leben ist fantastisch! Ich habe das Gefühl, wir surfen gerade auf einer positiven Welle. Alles fühlt sich insgesamt sehr gut an. Und wir freuen uns sehr, dass wir kurz nach dem Sieg beim Xathon unsere neue Browser-Erweiterung launchen konnten.

Erkläre uns die Idee doch kurz.

Evoléna: Wir wollen Secondhand-Shopping für jeden zur ersten Wahl machen. Mit faircado haben wir einen digitalen Shopping-Assistenten geschaffen: Die Browser-Erweiterung präsentiert allen Nutzer:innen nachhaltige Secondhand-Alternativen quasi auf dem Silbertablett. Nehmen wir an, du suchst nach einem neuen Tablet. Wenn du dein Wunschprodukt gefunden hast, poppt an der Seite unsere Erweiterung auf und bietet dir Secondhand- oder Refurbished-Alternativen. Diese zu kaufen schont am Ende nicht nur die Umwelt, sondern spart natürlich auch Geld. Das Feedback unserer User und Userinnen ist großartig.

Evoléna de Wilde d’Estmael, Gründerin von faircado

Wir wollen E-Commerce in Re-Commerce wandeln.

Klingt wirklich nach einer Erfolgswelle.

Evoléna: Absolut. Zudem sind wir aktuell in sehr guten Gesprächen für weitere Finanzierungen. Ich freue mich, dass wir mit unserem Produkt, das das Kernziel hat, die Ressourcen­verschwendung zu stoppen, einen so guten Nerv getroffen haben.

Woher kommt diese plötzliche Aufmerksamkeit?

Evoléna: Nun ja, der Xathon hat hier natürlich einen großen Anteil gehabt. Ich habe in dieser Zeit enorme Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien erhalten. Viele Menschen haben mich online und offline auf den Sieg und auf faircado angesprochen. Das hilft ungemein. Wir möchten diese positive Stimmung mitnehmen und für unser Produkt weiter nutzen.

Die Gewinnerinnen des Henkel Xathons stehen auf einer Bühne und halten den Preis für den ersten Platz.

Der Xathon ist der Business-Hackathon von Henkel und bietet Gründerinnen eine Plattform zum Vernetzen.

Du hast gesagt, ihr habt einen Nerv getroffen. Warum ist das deiner Ansicht nach so?

Evoléna: Ich denke, dass viele Menschen verstanden haben, dass uns beim Thema Nachhaltigkeit die Zeit und die Alternativen ausgehen. Heute ist unsere Welt nur 8,6 Prozent zirkular. Das heißt, über 90 Prozent aller natürlichen Rohstoffe werden nur einmal verwendet. Man benötigt kein Expert:innenwissen, um zu sehen, dass das nicht geht.

Wie ist eure Idee entstanden?

Evoléna: Mein Mitgründer und CTO Ali Nezamolmaleki und ich haben uns bei einem anderen Start-up kennengelernt. Uns ist bewusster und nachhaltiger Konsum immer schon sehr wichtig. Deswegen haben wir selbst bei unseren Einkäufen sehr darauf geachtet. Aber wer selbst schon einmal versucht hat, etwas Bestimmtes als Secondhand zu finden, kennt das Problem: Es ist zeitraubend, unbequem und unsexy.

Dir ist es auch so ergangen?

Evoléna: Ja, nachdem ich stundenlang im Internet gescrollt hatte, um die Angebote für das von mir gesuchte Handy zu finden und zu vergleichen, habe ich gesagt: Schluss damit! Wir müssen etwas tun. Ali ist ein technisches Genie, er wusste genau, wie die Lösung aussehen könnte, um das Secondhand-Shopping fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Warst du immer schon so aktiv im Bereich Nachhaltigkeit?

Evoléna: Seitdem ich 12 Jahre alt bin. Ich habe mit meinen Eltern den Film „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore angesehen. Zugegeben, in dem Alter war das ganz schön viel, das ich verarbeiten musste. Aber für mich war es ein Anstoß. Ich habe mich seitdem in der Schule und an der Uni sehr engagiert. Ich hätte nach meinem Studium auch in der Politik arbeiten können, habe mich aber für den Start-up-Weg entschieden.

Warum?

Evoléna: Ich glaube, dass politische Entscheidungen wichtig sind. Dennoch habe ich das Gefühl, dass ich als Person in der Start-up-Welt mehr erreichen kann. Außerdem wollte ich nach meinem Studium neue Kulturen kennenlernen, raus aus meiner Komfortzone und neue Erfahrungen sammeln. So kam ich nach Berlin. Ich habe dort in unterschiedlichen Start-ups gearbeitet. Während der Pandemie habe ich dann selbst gegründet, Solidartsy, ein Non-Profit. Wir haben Künstlerinnen geholfen, finanziell unabhängig zu werden und sich selbst zu organisieren. Ich habe direkt einen Impact gespürt. Und dann kam die Idee mit faircado.

Was ist euer Ziel?

Evoléna: Wir wollen E-Commerce in Re-Commerce wandeln. Menschen die Möglichkeit geben, für die Kreislauf­wirtschaft geeignete Produkte einfach erwerben zu können. Aktuell konnten wir dafür bereits 35 Partner-Plattformen in Deutschland gewinnen. Über drei Millionen Produkte können wir über unser Tool aktuell abbilden. Wenn wir weiter wachsen, wird man bald für fast jedes Produkt eine kreislauffähige Alternative finden.

Euer Unternehmen gibt es nun seit etwa einem Jahr. Wie hast du als Gründerin diese Zeit erlebt?

Evoléna: Sehr intensiv. Wir haben alles daran gesetzt, möglichst schnell ein funktionierendes Produkt zu schaffen, vor allem technologisch. Und wir haben sehr eng mit unseren User:innen zusammengearbeitet, haben wieder neue Tests gemacht, inklusive Umfragen auf der Straße. Wir sind schnell gewachsen, vor einem Jahr waren wir noch zu zweit. Heute sind wir ein Team aus insgesamt zwölf Leuten. Für ein junges Unternehmen, das bis vor Kurzem noch in der Planungsphase war, ist das ein enormer Erfolg.

Es war bereits das zweite Mal, dass du am Xathon teilgenommen hast. Warum wolltest du wieder dabei sein?

Evoléna: Es waren vor allem die positiven Erfahrungen des vergangenen Jahres. Ich habe 2021 einige meiner engsten Gründer-Freund:innen, Mentor:innen und Berater:innen kennengelernt. Auch deswegen dachte ich mir, ich mache wieder mit. Mehr noch: Ich wollte dieses Mal gewinnen. Ich war viel weiter als noch ein Jahr zuvor. Hatte meinen Pitch unzählige Male vorgetragen, war geübter. Das hat sich ausgezahlt.

Was macht den Xathon aus?

Evoléna: Die Zeiten, an denen man bei solchen Veranstaltungen die anderen Teilnehmerinnen als Konkurrenz ansieht, sind vorbei. Wir wissen, dass wir mehr engagierte Gründerinnen brauchen, mehr Frauen mit Verantwortung. Und das geht am besten, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Einmal mehr habe ich tolle Unternehmerinnen getroffen. Der Xathon ist eine großartige Gelegenheit für uns, ein stützendes Netzwerk zu schaffen. Ich habe dann gleich am Tag nach dem Xathon ein Female Founders Brunch mit einigen Teilnehmerinnen und anderen Freundinnen aus meinem Netzwerk organisiert.

Evoléna de Wilde d’Estmael, Gründerin von faircado

Wir wissen, dass wir mehr engagierte Gründerinnen brauchen, mehr Frauen mit Verantwortung. Und das geht am besten, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.

Wie geht es weiter mit faircado, was sind eure Pläne für die kommenden sechs Monate?

Evoléna: In einem halben Jahr kann viel passieren. Nun sind wir zunächst froh, dass wir unseren Launch so erfolgreich geschafft haben. Wir haben auch noch eine Kollaboration mit der großartigen Initiative Everwave abgeschlossen. Everwave sorgt dafür, dass Müll aus unseren Gewässern entfernt wird. Für jeden Download unserer Browser-Erweiterung fischen sie zusätzlich einen Kilogramm Müll aus dem Wasser. Uns ist es wichtig, mit unserem Produkt so viel Impact wie möglich zu schaffen.