Entdecken Sie die Marken und Technologien unserer Unternehmensbereiche Henkel Adhesive Technologies und Henkel Consumer Brands.
Ständig erreichbar, ständig beschäftigt – und trotzdem bleibt das Gefühl, nie wirklich etwas zu Ende zu bringen. Unsere Aufmerksamkeit wird zur Mangelware, während wir versuchen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Doch genau das macht uns langsamer und weniger effektiv. Im Interview erklärt Johann Hari, Autor von „Abgelenkt“, warum Multitasking ein Mythos ist – und wie wir mit Monotasking wieder produktiver, kreativer und zufriedener arbeiten. Ein Gespräch über digitale Reizüberflutung, Konzentration als Schlüsselkompetenz und konkrete Tipps für mehr Fokus im Alltag.
Johann: Ich habe mich aus einem sehr persönlichen Grund auf diese Reise begeben. Ich hatte das Gefühl, dass meine eigene Fähigkeit, mich zu konzentrieren, immer schlechter wurde. Das geht vielen von uns so. Ein durchschnittliche:r Büroangestellte:r ist heute nur fähig, sich maximal drei Minuten lang auf eine Aufgabe konzentrieren. Für jedes Kind, bei dem in meiner Kindheit eine schwere Aufmerksamkeitsstörung festgestellt wurde, sind es heute 100 Kinder. Ich bin um die ganze Welt gereist, von Moskau über Miami bis Melbourne, um über 200 der führenden Expert:innen für Aufmerksamkeit und Konzentration zu befragen. Ich wollte herausfinden: Warum ist das so? Was können wir dagegen tun? Es gibt zwölf Faktoren, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unsere Fähigkeit beeinträchtigen, uns zu konzentrieren und gründlich zu denken. Sie reichen von der Art und Weise, wie unsere Büros funktionieren, über wie wir uns ernähren, bis hin zur Art und Weise, wie die Schulen unserer Kinder arbeiten. Wenn wir erst einmal verstanden haben, warum dies bei uns allen der Fall ist, können wir auch etwas dagegen tun.
Johann: Ich habe Professor Earl Miller interviewt, einen der führenden Neurowissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT), und er hat mir eine entscheidende Tatsache über das menschliche Bewusstsein erklärt: Das Gehirn kann nur einen oder zwei Gedanken gleichzeitig im Bewusstsein produzieren. Das war’s. Wir glauben zwar, dass wir beim Multitasking mehrere Dinge gleichzeitig tun können – dass wir zum Beispiel einen Artikel schreiben können, während wir von Textnachrichten unterbrochen werden. Aber als Neurowissenschaftler:innen dies untersuchten, fanden sie heraus, dass Menschen dabei in Wirklichkeit „jonglieren“. Sie schalten hin und her. Sie bemerken das Umschalten nicht, weil ihr Gehirn es überspielt, um eine nahtlose Erfahrung des Bewusstseins zu vermitteln. Aber tatsächlich konfigurieren sie ihr Gehirn neu, von Moment zu Moment, von Aufgabe zu Aufgabe. Und das hat seinen Preis. Der Fachausdruck dafür lautet „Switch-Cost-Effekt“. Wenn man versucht, mehr als eine Sache gleichzeitig zu tun, ist man bei allen Dingen, die man zu tun versucht, weniger kompetent. Man macht mehr Fehler; man erinnert sich weniger an das, was man tut; man ist viel weniger kreativ. Immer wieder unterbrochen zu werden schadet unserer Intelligenz.
Wie können wir Monotasking in unser Leben und an unserem Arbeitsplatz integrieren?
Johann: Professor Michael Posner hat herausgefunden, dass es im Durchschnitt 23 Minuten dauert, bis man wieder so konzentriert ist wie vor der Unterbrechung. Es scheint also so, als würde der schnelle Blick in den E-Mail-Posteingang nur 30 Sekunden dauern – aber es dauert 30 Sekunden plus die 23 Minuten, die man braucht, um sich danach wieder zu konzentrieren.
Johann: Der Mensch ist zwar sehr anpassungsfähig – aber seine Anpassungsfähigkeit hat ihre Grenzen. Man kann sich auch nicht an ein Leben mit, sagen wir, wenig Sauerstoff oder auf dem Grund des Ozeans anpassen. Man wird einfach weniger kompetent.
Johann: In meiner ersten netzfreien Woche verlangsamte sich alles radikal. Normalerweise verfolge ich die Nachrichten etwa stündlich und werde ständig mit Fakten berieselt, die ich versuche, zu einem Sinn zusammenzufügen. Stattdessen las ich einmal am Tag eine gedruckte Zeitung und wanderte umher, las Bücher und unterhielt mich mit Menschen. Alle paar Stunden spürte ich ein ungewohntes Gefühl und fragte mich: Was ist das? Ah, ja. Gelassenheit. Ich lebte innerhalb der Grenzen dessen, was mein Gehirn tatsächlich verarbeiten konnte. Ich spürte, wie meine Aufmerksamkeit mit jedem Tag wuchs und besser wurde.
Wenn man versucht, mehr als eine Sache gleichzeitig zu tun, ist man bei allen Dingen, die man zu tun versucht, weniger kompetent.
Johann Hari, Journalist und Autor von „Abgelenkt“
Johann: In Provincetown an der Ostküste in den USA konnte ich klarer sehen als je zuvor in meinem Leben – meine eigenen Gedanken, meine eigenen Ziele, meine eigenen Träume. Als es an der Zeit war, das Strandhaus zu verlassen und in die vernetzte Welt zurückzukehren, war ich überzeugt, dass ich den Code der Aufmerksamkeit geknackt hatte. Ich tauchte wieder ein in den Alltag und war fest entschlossen, die Lektionen in mein tägliches Leben zu integrieren. Aber innerhalb weniger Monate war meine Bildschirmzeit wieder auf vier Stunden pro Tag angestiegen, und meine Aufmerksamkeit wurde wieder schwächer und schwächer.
Johann: Es gibt Dutzende von Dingen, die wir als einzelne Personen tun können, um unsere Aufmerksamkeit und die unserer Kinder zu bewahren. Methoden wie die Pomodoro-Technik oder Monotasking sind hilfreich. Ich habe die App „Freedom“ auf meinem Handy, lasse mein Handy oft zu Hause, ernähre mich anders, schlafe mehr. Ich habe sogar einen K-Safe. Das ist ein zeitgesteuerter Plastiksafe, der das Handy zwischen fünf Minuten und einem ganzen Tag wegsperrt. Es ist mir wichtig, meine Handy-Nutzung zu reduzieren, wann immer es geht. Ich setze mich mit meinem Partner nur dann hin, um einen Film zu sehen, wenn wir beide unsere Handys in den Telefontresor gesteckt haben. Und wenn ich meine Freunde zum Essen einlade, sperren wir alle unsere Telefone ein.
Über Johann Hari
Johann Hari ist ein britischer Journalist und Autor. In seinem Buch „Abgelenkt“ untersucht er die Ursachen der Aufmerksamkeitskrise in der modernen Welt. Hari interviewt weltweit über 200 Expert:innen und zeigt auf, wie technologische Ablenkungen und gesellschaftliche Faktoren unsere Konzentration beeinträchtigen. Er fordert, die Kontrolle über unsere Aufmerksamkeit zurückzugewinnen, um wieder fokussiert und kreativ leben zu können. Das Buch „Abgelenkt“ ist im Riva-Verlag erschienen (368 Seiten, 20 Euro).
Webseite: www.johannhari.com
Instagram: johann.hari
X: johannhari101
New Work
FLEXIBLES ARBEITEN, AGILE PROZESSE, MODERNER FÜHRUNGSSTIL
Was wie eine Lifestyle-Bewegung klingt, steht für einen Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt. New Work ist digitaler, flexibler und demokratischer. Bewerber:innen und Mitarbeitende fordern mehr Freiheit bei der Frage, wo, wann und wie viel sie arbeiten. Ihnen sind sinnstiftende Tätigkeiten wichtig, mit denen sie sich identifizieren können. Das New Normal ebnet dabei den Weg zu mehr Selbstbestimmung und -verwirklichung, angetrieben durch die digitale Transformation und smarte Arbeitszeitmodelle.
SPOTLIGHT
MAGAZIN
Entdecke unsere Themenwelten mit Geschichten und Experteneinblicken zu Innovation, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und zur Kultur bei Henkel.