Viewpoint

Kunststoffmythen auf dem Prüfstand

Ein Gastbeitrag von Dr. Christoph Hoffmann, Director Corporate Strategy, Sustainability & Circular Economy bei ALPLA

Zukunft Verantwortung Produktion & Logistik Verantwortung 16.09.2019

Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Kunststoffverpackungen haben ein Imageproblem. Die zunehmende Umweltverschmutzung hat eine politische und gesellschaftliche Debatte über Sinn und Unsinn von Verpackungen ausgelöst. Die Debatte an sich sehe ich positiv, sie ist notwendig für die Zukunft unseres Planeten. Allerdings bin ich der Meinung, dass Kunststoff dabei oft zu Unrecht in Verruf geraten ist.

Auffallend ist, wie emotional das Thema diskutiert wird. Folgende Argumente hört oder liest man besonders häufig: Viele Verpackungen sind überflüssig. Der Verzicht darauf würde nicht nur fossile Ressourcen schonen und CO2-Emissionen reduzieren, sondern auch das Vermüllungsproblem lösen. Und Verpackungen aus Glas und Metall stehen derzeit in der Gunst vieler Konsumenten ganz oben, weil sie angeblich besser für die Umwelt sind. Aber was ist an diesen Behauptungen dran? Stimmen sie?

Mythos 1: Verpackungen sind überflüssig

Frische Lebensmittel wie Gemüse, Milchprodukte oder Fleisch halten verpackt 10 bis 25 Tage länger als unverpackte Produkte. Mittlerweile gibt es in der Branche eine grobe Faustregel: Die CO2-Emissionen für die Herstellung einer Verpackung liegen bei weniger als zehn Prozent des CO2-Ausstoßes, der für die Herstellung des Lebensmittels verursacht wird. Sichere, hygienische Verpackungen verhindern das frühzeitige Verderben von Lebensmitteln. Diese Funktion von Verpackungen ist alles andere als überflüssig, sie ist sogar enorm wichtig. Denn mehr als ein Drittel aller weltweit hergestellten Lebensmittel wird heutzutage verschwendet. Diese Lebensmittelabfälle tragen laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zu 8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Wenn nur ein Bruchteil davon verhindert werden kann, sparen wir tonnenweise CO2 – und was noch viel schwerer wiegt: Weniger Menschen auf dieser Erde leiden Hunger.

Dr. Christoph Hoffmann, Director Corporate Strategy, Sustainability & Circular Economy bei ALPLA

Dr. Christoph Hoffmann, Director Corporate Strategy, Sustainability & Circular Economy bei ALPLA

Mythos 2: Verpackungen verschwenden Ressourcen

Fakt ist: Nur 4 Prozent der weltweiten Fördermengen von Rohöl fließen in die Herstellung von Kunststoffen, wovon nur etwa 36 Prozent zu Verpackungen verarbeitet werden. Diesen Punkt möchte ich auch von einer anderen Seite beleuchten: Kunststoff ist ein Wertstoff, genauso wie Metall, Glas oder Papier. Das heißt, keiner dieser Wertstoffe sollte achtlos in der Umwelt landen. Der einzig richtige Weg ist, die Wertstoffe im Kreislauf zu halten: Nach dem Gebrauch sammeln, sortieren, wieder aufbereiten und zu neuen Produkten verarbeiten, immer und immer wieder.

Gerade wenn es um die derzeit viel zitierte Kreislaufwirtschaft geht, überzeugt Kunststoff wie kaum ein anderes Material. Ausgereifte Recyclingtechnologien ermöglichen es, mit vertretbarem Aufwand gebrauchte Kunststoffverpackungen ohne nennenswerten Qualitätsverlust viele Male wiederzuverwerten. Aus den Rezyklaten können im Sinne des „Bottle-to-Bottle“-Prinzips wieder voll funktionsfähige Verpackungen hergestellt werden.

Dass Recycling ein wichtiger Hebel zur Müllvermeidung ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Was vielen Leuten aber weniger bewusst ist, ist der Beitrag von Recycling zum Klimaschutz. So verursacht zum Beispiel der von einem unserer Tochterunternehmen (PET Recycling Team in Wöllersdorf) hergestellte Recycling-Kunststoff tatsächlich nur ein Zehntel der Treibhausgasemissionen von sogenanntem „Virgin Material“, das heißt neu hergestelltem Kunststoff.

Mythos 3: Verpackungen aus Glas oder Metall sind ökologisch besser

Glaubt man Umfragen und Medienberichten, so greifen Konsumenten immer häufiger zu Verpackungen aus Glas oder Metall. Das umweltfreundliche Image dieser Materialien hält bei genauerem Hinsehen aber nicht stand. Um die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu heben, hat ein unabhängiges Beratungsunternehmen eine Studie über die Umweltauswirkungen von Verpackungen für ALPLA erstellt. Uns liegen detaillierte Ergebnisse für typische Verpackungslösungen für verschiedene Produkte wie Mineralwasser, Nahrungsmittel oder Waschmittel in unterschiedlichen Ländern vor.

Ich möchte hier ein Beispiel exemplarisch herausgreifen: Glasflaschen für Mineralwasser sind viel schwerer als Flaschen aus PET. Beim Transport verursacht das einen höheren Ausstoß von CO2. Beim Recycling benötigt Glas zudem viel höhere Temperaturen zum Einschmelzen als Kunststoff. Allein diese Tatsache lässt Einwegflaschen aus Glas im Vergleich zu Einwegflaschen aus PET mit Recyclinganteil mächtig alt aussehen. Richtig spannend wird der Faktencheck aber bei Mehrweggebinden: Je höher der Recyclinganteil bei Kunststoffflaschen ist, desto besser schneiden diese aus ökologischer Sicht im Vergleich zu Glasflaschen ab. Womit sich der Kreis schließt. Sammeln und Wiederverwenden macht Sinn, es spart Ressourcen und verhindert die Emission von Treibhausgasen. Zwischen den Zeilen steckt allerdings noch eine andere Nachricht für jeden einzelnen von uns: Wir Konsumenten haben die Macht. Prüfen Sie also die Fakten, lassen Sie sich nicht von Emotionen leiten. Konsumieren Sie verantwortungsbewusst, kaufen Sie nicht nur die Verpackung, sondern vor allem das Produkt. Ich bin der Meinung: Kunststoff ist ein Werkstoff mit guten Eigenschaften, den wir wie alle anderen Ressourcen verantwortungsvoll einsetzen müssen.