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„Es gibt kein Geheimrezept für Innovationen“

Interview mit Prof. Dr. Roland Mattmüller von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Zukunft Zukunft 04.01.2018

Prof. Dr. Roland Mattmüller, Lehrstuhl für Strategisches Marketing an der EBS Universität in Oestrich-Winkel, erklärt, wie Innovationen entstehen, warum Unternehmen den Gründergeist der Mitarbeiter fördern sollten und welche Rolle Scheitern im Innovationsprozess spielt.

Prof. Dr. Roland Mattmüller from EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Prof. Dr. Roland Mattmüller, Lehrstuhl für Strategisches Marketing an der EBS Universität in Oestrich-Winkel

Herr Mattmüller, wie entstehen Innovationen?
Es gibt zwei Wege, wie Innovationen entstehen können: Zum einen als technische Innovationen, bei denen Mitarbeiter eines Unternehmens „von sich aus“ etwas erfinden und daraufhin entwickeln. Hier beschäftigt man sich dann eigentlich erst im Nachhinein mit der Frage, wie man den Kundenerwartungen und dem gewünschten Nutzen entsprechen kann. Man nennt diese klassischen Innovationen auch „Inside-Out“, da sie sich aus dem Unternehmen heraus entwickeln. Dann gibt es noch Innovationen, die von außen ins Unternehmen kommen, also „Outside-in“ und vor allem durch Marktforschung generiert werden. Durch das Beobachten der Konsumenten erkennen wir, dass es ein Bedürfnis ihrerseits gibt, für das noch keine Lösung gefunden wurde. Durch ein neues Angebot versuchen Unternehmen dann, das Problem zu lösen.

Gibt es ein Geheimrezept für erfolgreiche Innovationen?
Nein, die eine richtige Innovationsmethode gibt es nicht. Man sollte sich aber immer fragen, was der sogenannte „Insight“ bei einer Innovation ist. Das heißt, warum wird ein Produkt vom Konsumenten gekauft? Häufig stellen wir fest, dass wir schon einen bestimmten Nutzen mit unserem Produkt abdecken, aber eben noch nicht auf alle Bedürfnisse eingehen. Das kann man sehr schön mit einer Zwiebel vergleichen. Die äußere Schicht ist erreicht, aber zur innersten, zum eigentlichen Kern sind wir noch nicht durchgedrungen. Um dies zu erreichen, müssen wir also weiter forschen.

Wo setzt man mit der Forschung an?
Wenn wir über Marktforschung und „Insights“ reden, ist teilnehmende Beobachtung sehr wichtig. Um an den „Kern der Zwiebel“ zu gelangen, muss man sehr nah am Kunden sein, im Sinne von „See, feel, live like the customer“. Besonders die Entscheidungsträger im Unternehmen laufen häufig Gefahr, die Bedürfnisse der Zielgruppe aus den Augen zu verlieren. Es muss daher sichergestellt werden, dass uns Trends aus sämtlichen sozialen Milieus nicht durchs Raster fallen. Die Top-Manager von Disney verkaufen beispielsweise jährlich einen Tag lang Getränke in einem ihrer Freizeitparks und sind so – zumindest kurzzeitig – ganz nah am Kunden.

Wie kann die Innovationskraft und der Gründergeist der Mitarbeiter in Unternehmen gefördert werden?
In den Mitarbeitern eines jeden Unternehmens stecken millionenfaches Potential, Ideen und Impulse. Um diese Innovationskraft zu fördern, sollte man seine Mitarbeiter darin bestärken, Augen und Ohren offen zu halten und stets aufmerksam durch den Tag zu gehen. Außerdem ist es wichtig, seinen Mitarbeitern ein Sprachrohr zur Verfügung zu stellen, also eine einfach zugängliche Plattform, auf der sie ihre Ideen teilen können. Sie müssen das Gefühl bekommen, dass ihre Impulse etwas wert sind. Nur so werden sie ermutigt, diese mit der Organisation zu teilen. Als dritter Schritt sollte eine Feedbackschleife entwickelt werden. Jede Idee sollte mit einem Feedback anerkannt werden. So verlaufen gute Ideen nicht im Sand, weniger nützliche werden dennoch wertgeschätzt und die Mitarbeiter werden nicht entmutigt, weitere Ideen einzubringen.

Nicht alle Innovationen können erfolgreich sein. Welche Bedeutung hat das Scheitern im Innovationsprozess?
Wenn Projekte im Unternehmen scheitern, dann hat das oft ähnliche Gründe. Daher ist es umso wichtiger, dass man darüber spricht, woran man gescheitert ist. In Deutschland passiert dies leider nur selten, in USA hingegen wird häufig eine richtige Kultur des Scheiterns gepflegt. Bei einigen Unternehmen werden dazu sogar eigene Events veranstaltet. Dort werden nicht die Erfolgsstorys erzählt, sondern die größten Misserfolge des Jahres. So können alle Mitarbeiter daraus lernen und machen nicht immer wieder dieselben Fehler. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter so mutiger und motivierter. Denn mal ehrlich: Scheitern ist immer möglich und Scheitern muss im Unternehmen erlaubt sein.

Welche Rolle spielen diverse Teams beim Innovationsprozess?
Die sind immer wichtig, nicht nur im Innovationsprozess. Als Unternehmen muss man cross-funktional arbeiten und denken. Innovationen sollten nicht nur in einzelnen Teams oder Abteilungen entstehen, sondern dadurch, dass man unterschiedliche Expertisen miteinander verbindet. In der heutigen Zeit, in der viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle hinterfragen, ist eine unternehmensübergreifende Denkweise klar von Vorteil.

Roland Mattmüller ist Inhaber des Lehrstuhls „Strategisches Marketing“ an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere in den Bereichen „Geschäftsmodelle“ und „Prozessorientierte Organisation des Marketing“. Gleichzeitig ist er als Dozent und Berater für nationale sowie internationale Unternehmen und Organisationen tätig, Leiter des Instituts für Marketing-Management und Forschung e.V., Akademischer Leiter der Markenakademie und Professor für Marketing am Deutsch-Chinesischen Hochschulkolleg der Tongji-Universität in Shanghai.